Der Marktherr (yaba-nyono)

 

Neben dem Amt des Erdherrn kennen die Bulsa andere rituell gefärbte Ämter, deren Funktionen und Aufgaben zum Teil denen des Erdherren gleichen.

In der Mitte eines Marktplatzes findet man oft einen Marktschrein, meistens einen Baum oder nur einen Opferstein. Auf dem Sandema-Markt stand bis etwa 1972 ein großer Baobab. Nach seinem Sturz entstand hier ein Termitenhügel, der heute als Wohnsitz des Markt-tanggbain angesehen wird. Der Marktherr von Wiaga behauptet, dass sein tanggbain auch teng-Charakter hat, während der yaba-nyono von Fumbisi seinen Marktschrein, bis zu seinem Umfallen ein Kapok-Baum, als einfaches tanggbain bezeichnet.

In den Interviews der Marktherren Asiak von Wiaga (Amangbe Yeri, Dogbilinsa) und Fumbisi (Yerinsa, Akanbongbisa) werden die Ähnlichkeiten zwischen den von einem yaba-nyono und teng-nyono betreuten Schreinen deutlich. In Fumbisi, mit kleineren Abweichungen auch in Wiaga, bestehen z.B. folgende Tabus und Verbote, deren Nichtbeachtung ohne Sühne den Tod zur Folge hat: Totschlag, blutige Schlägereien, absichtliche Verbreitung von Krankheiten durch magische Mittel, Sexualverkehr außerhalb eines Hauses und als nicht ethisch begründbares Tabu (nur in Fumbisi) der Verkauf von Hunden. Ähnlich wie der teng-nyono nimmt der Marktherr alle Fundgegenstände und auf dem Markt aufgelesene herrenlose Tiere entgegen.

Einige wichtige Faktoren unterscheiden ihn jedoch von einem Erdherrn. Sein Zuständigkeitsbereich bezieht sich nicht auf eine Lineage oder einen anderen Verwandtschaftsverband, sondern auf alle Marktbesucher, selbst wenn sie aus anderen Ethnien kommen. Seine Befugnisse umfassen alle Teile des Ortszentrums, in denen auf Marktständen an Markttagen Waren angeboten werden, auch wenn sie zu verschiedenen Sektionen gehören. Neben der Opfertätigkeit besteht seine Hauptaufgabe darin, den Marktfrieden zu erhalten und Übeltäter zu bestrafen. Im Vergleich zum Erdherrn kooperiert er hierbei viel stärker mit dem Häuptling und der staatlichen Polizei. Während junge Erdherren mitunter erst dem feldforschenden Ethnologen Informationen geben wollen, nachdem sie aus der Nachbarschaft einige ältere Verwandte hinzugezogen haben, hatte der Marktherr von Wiaga zuerst Bedenken, Auskünfte ohne die Anwesenheit des Wiaganaab (chief) zu erteilen, denn die Wahrung des Marktfriedens gehört, wie Schott (1970: 14) schon festgestellt hat, auch zu den Funktionen des Häuptlings. Bei einem Opfer an das Markt-tanggbain muss der Häuptling oder sein Vertreter anwesend sein, und wenn man auf dem Markt einen Dieb gefangen hat, lässt der yaba-nyono ihn zum Häuptling bringen, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt, den der Marktherr selbst aburteilt.

Vor einigen Jahren erhielt der Marktherr von der District Assembly eine monatliche Geldzahlung, die jedoch im Zuge der Stelleneinsparungen und Kürzung der Etatmittel wieder gestrichen werden musste.

 

Fortsetzung: Der Buschherr (goai nyono oder goai-kpagi)